3. Teil: Die verhaltensbedingte Kündigung

Veröffentlicht in: FRIZZ- Das Magazin für Darmstadt 3/2011

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber

Teil 3: Die verhaltensbedingte Kündigung  

Unterfällt ein Arbeitsverhältnis dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetz (KSchG) braucht der Arbeitgeber nicht nur für eine fristlose, sondern auch für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung einen qualifizierten Grund.  

Wann liegt ein verhaltensbedingter Grund vor?

Das Kündigungsschutzgesetz definiert weder den verhaltensbedingten Grund noch zählt es auch nur beispielhaft auf, welches Verhalten einen solchen Kündigungsgrund darstellen könnte. Nach dem bloßen Wortlaut des Gesetzes könnte jedes Verhalten des Arbeitnehmers, das den Entschluss des Arbeitgebers zur Kündigung hervorruft, die Kündigung sozial rechtfertigen. Dies ist jedoch nicht der Fall ist! Vielmehr gehen die Arbeitsgerichte nur dann von der Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung aus, wenn der Arbeitnehmer in erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat und dem Arbeitgeber aufgrund dessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten ist. Zu berücksichtigen ist hierbei zudem, dass eine verhaltensbedingte Kündigung immer nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers gegeben ist und keine rechtfertigenden Umstände vorliegen.  

Welche Pflichtverletzungen können zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen?

Die Palette von Pflichtverstößen ist vielfältig. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich bei der verletzten Pflicht um eine Haupt- oder Nebenleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis handelt. Pflichtverstöße gegen Hauptleistungspflichten sind z.B. bei „Nichtleistungen“ (Verspätung/Arbeitsverweigerung) oder „Minderleistungen“ (zu langsame oder fehlerhafte Arbeit) anzunehmen. Aber auch Verstöße gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten können eine verhaltensbedingte Kündigung begründen, so z.B. Beleidigungen oder Tätlichkeiten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden, Diebstahl/Unterschlagung, die Nichtanzeige einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, Verstöße gegen ein betriebliches Alkoholverbot oder gegen das Verbot der privaten Internetnutzung.    

Wann sind die Pflichtverstöße rechtswidrig und schuldhaft?

Liegt eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vor, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung aber dennoch erst dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen seine Vertragspflichten verstoßen hat. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer den Pflichtverstoß vorsätzlich oder zumindest fahrlässig begangen haben muss und keinen Rechtfertigungsgrund für sein Verhalten vorbringen kann.  

Muss der Arbeitgeber vor der Kündigung abmahnen?

Selbst wenn der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat, ist dennoch nach ständiger Rechtsprechung eine verhaltensbedingte Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn diese auch verhältnismäßig ist. Die Kündigung muss das „letzte Mittel“ sein, d.h. dem Arbeitgeber darf kein milderes Mittel zur Verfügung stehen, um die durch den Pflichtverstoß entstandene Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen. Als milderes Mittel kann je nach Lage des Falls z.B. eine Abmahnung in Betracht kommen. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass bei einer verhaltensbedingten Kündigung das grundsätzliche Erfordernis besteht, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung wegen einer gleichen oder gleichartigen Pflichtverletzung erfolglos abgemahnt hat. Lediglich in Ausnahmefällen ist eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich, so z.B. bei beharrlicher Arbeitsverweigerung oder schwerwiegenden Pflichtverstößen im Vertrauensbereich (Diebstahl, Unterschlagung, Spesenbetrug etc.). 


Aber selbst dann, wenn der Arbeitgeber im Vorfeld eine einschlägige Abmahnung ausgesprochen hat, heißt dies noch lange nicht, dass diese rechtmäßig ist und im Rahmen der Kündigungsbegründung herangezogen werden kann. Auch eine Abmahnung unterliegt sehr hohen Wirksamkeitsvoraussetzungen, die häufig aus Unachtsamkeit oder Unkenntnis vom Arbeitgeber nicht eingehalten werden. Da eine Abmahnung noch im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens überprüft werden kann, folgt nicht selten aus einer dann festgestellten Unwirksamkeit der Abmahnung, dass die Kündigung allein wegen der fehlerhaften Abmahnung kippt.


Umfassende Interessenabwägung notwendig!

Selbst wenn alle bisher angesprochenen Prüfungspunkte gegen den gekündigten Arbeitnehmer sprechen sollten, bedeutet dies gleichwohl noch nicht, dass die Kündigung letztendlich wirksam ist. Vielmehr ist zum Schluss eine umfassende Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Interesse des Arbeitnehmers an seiner Fortbeschäftigung vorzunehmen. Zu berücksichtigende Faktoren sind hierbei z.B. die Art, Schwere und Häufigkeit der Vertragsverletzung oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter sowie die Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers. Eine solche Abwägung kann durchaus zugunsten des Arbeitnehmers gehen. Vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer viele Jahre zuvor ohne Beanstandungen gearbeitet hat und der Pflichtverstoß nicht allzu gravierend war. 

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass der Arbeitgeber bei einer verhaltensbedingten Kündigung im Falle eines gerichtlichen Vorgehens des gekündigten Arbeitnehmers ganz erhebliche Hürden überwinden muss und so mancher Fall am Ende doch noch eine überraschende Wende nehmen kann. 

Fortsetzung folgt (Aprilausgabe: Die personenbedingte Kündigung)

 


Nicole Brauer
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Kasinostraße 5, 64293 Darmstadt
Tel. 06151/30 766-0

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